LBEG nach Ölhavarie harscher Kritik ausgesetzt – Berechtigt?

Infolge der Havarie an der Erdölspeicheranlage erfährt die zuständige Genehmigungsbehörde, das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) harscher Kritik ausgesetzt. Darüber berichten sowohl der NDR auf seinem Online-Portal als auch der Weser-Kurier. Beide Medien nutzen die Gelegenheit, in ihre Beiträge Vorwürfe des Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeld (CDU) einzufügen, die eine angebliche Nähe des LBEG zur Erdgasförderindustrie beinhalten.

Insbesondere beim Weser-Kurier wird im Artikel (LINK) die Erdgasförderung thematisiert. Als Aufhänger dient dabei das kleinere Erdbeben vor wenigen Wochen im Bereich der Erdgaslagerstätte „Völkersen“ bei Verden. Hier stellt sich bereits die Frage, was dieses Ereignis, dass im Zusammenhang mit der Gewinnung größerer Mengen von Erdgas oder auch Erdöl auftreten kann, mit einer Nähe des LBEG zur Erdgasförderindustrie zu tun hat. Dieses Phänomen ist insbesondere aus dem Bereich der sehr großen Erdgaslagerstätte „Groningen“ bekannt und lässt sich nicht vermeiden, es sei denn, man verzichte vollkommen auf die Förderung. Schon fast als kurios kann die Begründung Mattfelds für seinen Vorwurf bezeichnet werden:

„Die Vermischung von Genehmigung und Fachaufsicht ist in jedem Fall kritisch“, findet Mattfeldt.

Wer, wenn nicht die Fachbehörde soll denn sonst die Genehmigung und Aufsicht von geplanten Vorhaben und Betrieben übernehmen. Auch in anderen Bereichen erfolgen Genehmigung und Aufsicht der entsprechenden Fachbehörde. Im weiteren Verlauf bheauptet der Weserkurier:

Dabei gehen die Verbindungen zwischen LBEG und der Industrie offenbar über allgemeine Kontakte hinaus.

Statt des Wortes „offenbar“ wäre hier eine neutrale Wortwahl angemessen. Denn der Fall, der als Beleg herangezogen wird, stellte keine Verquickung zwischen Erdgasförderindustrie und dem LBEG dar. Die Behauptung des Weserkurier:

So steht der Leitende Bergdirektor Klaus Söntgerath nicht nur der Abteilung „Betriebsüberwachung, Energiewirtschaft und Geoinformationssysteme“ vor, sondern arbeitete nebenher seit 2009 als Prokurist in einem Unternehmen, in dem hochgiftige Fracking-Fluide produziert werden.

ist nicht korrekt. Die Firma EIRO Rohstoffgesellschaft mbH stellt weder Fracfluide her noch sind diese „hochgiftig“. Tatsächlich vertreibt die Firma verschiedene Produkte für die Montanindustrie, also die Bergbau- und Schwerindustrie (LINK). Selbst „Gegen-Gasbohren“, die mit einer Pseudosatire versucht haben, Klaus Söntgerath bloßzustellen gaben kleinlaut zu:

Übrigens hat man auf der HP bereits reagiert und  alle Geschäftsbereiche aufgeführt, mit denen man zu tun hat. Die Bergbauindustrie ist hier nicht genannt. Trotzdem finden wir das zumindest sehr seltsam!

Eine Entschuldigung für die Diffamierung blieb bis heute aus. Im Gegenteil: Sie ist bis heute abrufbar (LINK)!

Dass somit ein Interessenkonflikt offensichtlich nicht vorliegt, ficht den Weser-Kurier jedoch nicht an:

Erst als die Interessenkollision, die nach Auskunft des LBEG-Präsidenten Rolf Pospich nicht genehmigungsfähig gewesen wäre, 2012 ruchbar wurde, zeigte Söntgerath sich selbst bei seinem Dienstherrn an. Das folgende Disziplinarverfahren verlief im Sande.

Eine Begründung dafür, dass der Zweitberuf nicht genehmigungfähig sei, führte Pospich seinerzeit nicht an. Hierbei handelt es sich um eine kühne Behauptung des Verfassers, dass eine Interessenkollision bestand. Und ob das Disziplinarverfahren im Sande verlief, sei dahingestellt und ist bei den bisherigen Falschaussagen im Artikel anzuzweifeln. Vielmehr dürfte das Verfahren intern geregelt worden sein, also ohne damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Vermutlich erfolgte die Disziplinarmaßnahme in Form einer Abmahnung. Soviel zum Artikel des Weser-Kurier, bei dem der Eindruck entsteht, dass die Ölhavarie lediglich als Aufhänger dienen sollte, um die Erdgasförderindustrie sowie die Genehmigungsbehörde in ein schlechtes Licht zu rücken.

Dem NDR (LINK) ist in diesem Zusammenhang vorzuwerfen, dass er unreflektiert die Meldung des Weser-Kuriers übernimmt. Außerdem stellt sich die Frage, warum in einen Artikel, der die Havarie im Speicherbetrieb Etzel zum Thema hat, überhaupt eine Passage eingebaut werden muss, die ein völlig anderes Themengebiet behandelt. Auffällig ist außerdem die Dramatisierung des Vorfalls als „verheerenden Öl-Unfall“. Der Unfall soll hier nicht verharmlost werden, Öl hat nicht in Gewässer zu gelangen. Aber den Austritt von ca. 40 m³ als verheerend zu bezeichnen, ist maßlos übertrieben. Schließlich konnte die Ausbreitung des Öl zügig eingedämmt werden und bisher sind lediglich zwei Höckerschwäne (2 zuviel!) mit Ölverschmutzungen entdeckt worden. Ein Fischsterben, wie es schon häufiger im Zusammenhang mit Faulgasanlagen (Biogasanlagen) vorkam, blieb aus.

Letzten Endes ist die Kritik am LBEG eventuell in gewissem Rahmen gerechtfertigt. Allerdings müssen das erst Untersuchungen ergeben, ob tatsächlich die Aufsichtspflichten verletzt worden sind. Für die unterstellte Nähe des LBEG zur Industrie  sind die Kritiker in der Pflicht stichhaltige Beweise vorzuweisen.

ARD-„Energieexperte“ kommentiert zur Ölhavarie in Etzel am Sachverhalt vorbei

Am 19.11.2013 ereignete sich im Speicherbetrieb Etzel bei Wilhelmshaven eine Ölhavarie. Bei dem dortigen Speicher handelt es sich um einen unterirdischen Kavernenspeicher.  Aufgrund dessen war kurz nach dem Bekanntwerden der Havarie in zahlreichen Medien zu lesen, dass das Erdöl aus den im Salz geschaffenen Hohlräumen ausgetreten sei. Aufgrund dieser Annahme fühlte sich der ARD-„Energieexperte“ Jürgen Döschner berufen, für „Radio Bremen“ einen Kommentar über den Äther zu schicken.

Doch zunächst ein paar Vorbemerkungen: Zufälligerweise kurz vor  der „Ölkrise“ Anfang der 1970er Jahre hat die Bundesrepublik ein Unternehmen beauftragt, Kavernen für die bundesdeutsche Erdölbevorratung u.a. im Salzstock von Etzel einzurichten (Quelle). Ziel war es, in Krisenfällen die Energieversorgung Deutschlands über 90 Tage sicherzustellen (Quelle). Kavernen sind künstliche Hohlräume im Untergrund, die in Salzgesteinen durch Ausspülen (Aussolen) geschaffen werden. Wie die Erstellung einer Kaverne abläuft, ist hier dargestellt LINK.

In ersten Meldungen zum Vorfall hieß es, dass die Kaverne selbst undicht sei. Bei SpiegelOnline ist nach wie vor folgende Schlagzeile zu lesen (LINK):

„Leck im unterirdischen Speicher: Ölmassen verschmutzen Flüsse in Ostfriesland“

Nun ja. Die Flüsse sind zwar Gräben und im unterirdischen Speicher  (dazu später mehr) gibt es auch kein Leck. Der Artikel wurde zwar wenige Stunden nach Erscheinen angepasst, die Schlagzeile jedoch nicht. Aber die Schlagzeile hat sicherlich für einige Klicks gesorgt. Wie nicht anders zu erwarten, sorgte auch der NDR wieder für alarmistische Schlagzeilen auf seinem Online-Portal (LINK). Allerdings hat auch der NDR seinen Artikel in Anlehnung an die offizielle Pressemitteilung des zuständigen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) angepasst. Hier der LINK zur Pressemeldung des LBEG. Interessant ist, dass bei beiden Artikeln unter den ersten 10 Kommentaren Parallelen zum Hydraulic Fracturing gezogen werden. Beim NDR sind es sogar gleich die ersten zwei! Hier der erste:

Alex (Gast) 18.11.2013 11:49
Fracking
Fracking kann das viel besser und schneller.

Der Vorteil von Online-Artikeln ist der, dass man sie anpassen kann, nachdem neue Erkenntnisse vorliegen. Bei Radiokommentaren ist das nicht möglich. Einmal gesendet, lassen sie sich nicht mehr verändern und haben ihre Wirkung beim Zuhörer hinterlassen. Und damit möchte ich zum Kommentar von Jürgen Döschner kommen, der via „Radio Bremen“ Verbreitung fand. Offensichtlich verließ sich der „Energieexperte“ dabei auf die als erstes verbreitete Agenturmeldung. Im gewohnt polemischen Stil betrachtet Döschner im Kommentar ausschließlich Vorhaben im Untergrund.

„Manchmal verhalten wir uns selbst im 21. Jahrhundert wie die Steinzeitmenschen. Was wir nicht sehen, existiert für uns nicht.“

heißt es in der Einleitung. Ich weiß ja nicht, wen Döschner mit „wir“ meint, ich fühle mich jedenfalls nicht angesprochen. Ich sehe den Erdkern zwar nicht, weiß aber, dass er existiert. Es ist zwar richtig, dass Vorhaben an der Erdoberfläche bis ins Detail geplant sind, was auch für Hühnerställe gilt, die Döschner beispielhaft erwähnt, aber zu  behaupten, dass es „uns“ nicht interessiert, was unter unseren Füßen geschieht, dortige Vorhaben also ohne Planungsgrundlage erfolgen, ist absurd. Auch Vorhaben im Untergrund werden detailliert geplant. Anscheinend ist Herrn Döschner nicht bekannt, dass es nicht nur das Bergrecht, sondern noch etliche weitere Verordnungen und Gesetze gibt, die für den Bergbau bzw. Vorhaben im Untergrund notwendig sind. Je nach Vorhaben und Gesetzeslage müssen dabei auch andere Rechtsbereiche wie das Wasser- und Umweltrecht beachtet werden. Vorhaben im Untergrund sind insgesamt streng und detailliert reglementiert (LINK). Laut Döschner wüssten angeblich die zuständigen Behörden „vielfach nicht, welche Pipelines mit welchem möglicherweise gefährlichen Inhalt unter unserem Vorgarten entlangführen.“ Einen Beleg, der diese Behauptung auch nur ansatzweise glaubwürdig erscheinen lässt, führt Döschner nicht an. Auf seine darauf aufbauenden Ausführungen zum „industriefreundlichen“ Bergrecht möchte ich nicht weiter eingehen. Nur soviel: Bergfreie Bodenschätze wie z.B. Erdgas und Erdöl sind Staatseigentum! Der Staat „verleiht“ Aufsuchungs- und Gewinnungsrechte gemäß Bundesberggesetz (BBergG) an Privatfirmen, die die finanziellen Risiken der Aufsuchung und Gewinnung zu tragen haben. Der Staat als Eigentümer der Bodenschätze ist dabei fein raus. Sein finanzielles Risiko ist Null, aber über die Förderabgabe profitiert er „leistungslos“ vom Eigentum. Um das zu erkennen, hätte ein Blick ins (BBergG) genügt. Weiterhin kritisiert Döschner, dass bei Vorhaben wie Erdgasbohrungen oder dem Betrieb von Kavernenspeichern Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) nicht obligatorisch seien. Die Frage ist: Warum auch? Schließlich sind durch die Vorhaben die in einer UVP vorgesehenen Schutzgüter wie Menschen, Tiere, Pflanzen, Wasser, Luft, Boden kaum berührt und wenn, dann lediglich über kurze Zeiträume beim Erstellen von Bohrungen. Bei großflächigen Vorhaben wie z.B. der Errichtung oberirdischer Speicherbetriebsanlagen, bei denen dann über längere Zeiträume die genannten Schutzgüter betroffen sind, wird selbstverständlich auch eine UVP durchgeführt.

„Und das, obwohl die Risiken enorm sind“

behauptet Döschner und schlägt eine Brücke zur Havarie in Etzel. Leider bleibt uns Döschner den Beweis schuldig, dass z.B. Erdgasbohrungen „enorm“ riskant seien. Und die Havarie in Etzel fand auch nicht im Untergrund statt, wie zunächst verbreitet. Die tatsächliche Ursache war laut LBEG (Quelle s.o.):

„Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen war eine Entlüftungsarmatur an einer Betriebsleitung mit einem Durchmesser von knapp 10 mm nicht vollständig verschlossen. Es handelte sich also nicht um eine Undichtigkeit an einer unterirdischen Speicherkaverne.“

Entsprechend sind Äußerungen wie:

„Kavernen können undicht werden“

nicht haltbar. Schließlich ist die Kaverne nicht undicht geworden, sondern eine obertägige Armatur und ansonsten ist von undicht gewordenen Kavernen auch nichts bekannt. Damit unterstreicht Döschner sein glänzendes Unwissen. Er behauptet ohne es zu belegen weiterhin, dass es in den USA, wo es die meisten Untergrundspeicher (UGS) gibt, sich reichlich Beispiele finden lassen.

„Beispiele dafür, insbesondere aus den USA, wo es die meisten UGS weltweit gibt, finden sich reichlich.“

Und weiter:

„Es ist nicht einzusehen, warum allgemein gültige Umwelt- und Planungsstandards bei Eingriffen in die Natur gerade dann außer Kraft gesetzt werden, wenn diese Eingriffe im Untergrund stattfinden.“

Diese Frage ist eigentlich recht simpel zu beantworten: Schutzgüter, die bei oberirdischen Vorhaben betroffen sein können, sind es im Untergrund nicht. Während Teile der Natur zur Biosphäre, also zur belebten Natur gehören, handelt es sich beim (tieferen) Untergrund um unbelebte Natur. Allein schon deshalb sind unterschiedliche Herangehensweisen der planerischen Durchführung logisch und konsequent.

Und zum Abschluss:

„Das jüngste Unglück zeigt: Die Welt des Untergrunds ist eine andere Dimension (Anm.: Ach, tatsächlich?) voller Unwägbarkeiten und Risiken[…]“

Das Dumme ist nur, dass die Havarie zwar mit einem UGS-Projekt zusammenhängt, die Ursache jedoch auf eine Störung einer Armatur an der Oberfläche zurückzuführen ist. Döschner hätte besser auf die offizielle Meldung des LBEG warten sollen, anstatt einen Kommentar, dessen Basis eine Agenturmeldung darstellt, voreilig über den Äther zu schicken. Denn damit hat er, um auf die Schlagzeile zurückzukommen, am Sachverhalt komplett vorbei argumentiert. Und die Beurteilung, ob der Untergrund eine Dimension „voller Unwägbarkeiten und Risiken“ darstellt, sollte er besser Geowissenschaftlern überlassen. Übrigens: Kavernen, die in Salzschichten gesolt werden, werden nicht einfach so undicht. Salz hat nämlich die Eigenschaft, fließfähig (plastisch) zu sein. Damit ist eine Rissbildung kaum möglich.

Link zum Kommentar: Radio Bremen